KI im Influencer-Marketing – Ersetzen Avatare Menschen?

– von Jeanette Okwu (BEYONDinfluence) –
Influencer-Marketing steht an einem spannenden Punkt dank des flächendeckenden Einzugs von KI in unseren Alltag. Auf der einen Seite stehen echte Menschen mit Biografie, Brüchen und Haltung. Auf der anderen Seite KI-Avatare, die nie müde werden, nie altern und sich perfekt steuern lassen. Die naheliegende Frage: Ersetzen Avatare Menschen, oder verschiebt sich nur das Spielfeld?

Laut einer Marktstudie von Grand View Research soll der globale Markt für virtuelle Influencer von rund 6,06 Mrd. US‑Dollar im Jahr 2024 auf 45,88 Mrd. US‑Dollar im Jahr 2030 anwachsen. Das ist eine jährliche Wachstumsrate von 40,8%. Doch was bedeutet diese Entwicklung für Marken und Agenturen? Werden KI-Influencer bald menschliche Content-Creators ersetzen?

Aus meiner Sicht ist die Antwort eindeutig: Influencer-Marketing ist ein Vertrauensgeschäft. Und Vertrauen entsteht zwischen Menschen – nicht zwischen Mensch und Code-Modell. KI wird das System verändern, aber anders, als viele denken.

Warum Influencer-Marketing überhaupt funktioniert

Bevor wir über KI sprechen, lohnt ein Schritt zurück: Influencer-Marketing funktioniert nicht, weil jemand viele Follower hat, sondern weil Menschen Beziehungen aufbauen – parasoziale Beziehungen, um genau zu sein.

Follower kennen Routinen, Humor, Schwächen einer Person. Sie haben das Gefühl: „Ich weiß, wie diese Person tickt.“ Kaufentscheidungen entstehen nicht nur über Produktvorteile, sondern über Vertrauen, Wiedererkennung und geteilte Werte. Menschen folgen Menschen, nicht Formaten. Genau hier liegt die Messlatte für KI-Avatare.

Virtuelle Influencer wie Lil Miquela mit über 2,4 Millionen Instagram-Followern oder die deutsche Noonoouri haben bewiesen, dass nicht-menschliche Creator massive Followerschaften aufbauen können. Beide haben Partnerschaften mit Luxusmarken wie Prada, Calvin Klein und Dior abgeschlossen.

Auch im deutschen Markt experimentieren immer mehr Unternehmen mit KI-generierten Personas. Vodafone Deutschland setzte beispielsweise kürzlich in einer TikTok-Kampagne für Highspeed-Internet einen KI-Influencer ein. Die drei Videos erzielten über zwei Millionen Views, obwohl Konsumenten technische Unvollkommenheiten im Avatar bemerkten, darunter inkonsistente Gesichtsausdrücke.

Die Technologie entwickelt sich rasant weiter. Plattformen wie Meta haben begonnen, KI-Avatar-Erstellungstools auszurollen. Tools wie Predis.ai können aus einem einzigen Prompt komplette Instagram-Posts generieren – inklusive Bildmaterial, Captions und Hashtags.

Über den Autor

Jeanette Okwu

Jeanette Okwu

BEYONDinfluence

Jeanette ist Agentur-Chefin von BEYONDinfluence, einer Influencer- und Markenbotschafter-Marketing-Agentur, die Kunden dabei unterstützt, erfolgreiche Kampagnen skaliert durchzuführen und bündelt mehr als 15 Jahre Erfahrung auf Kunden- wie auf Agenturseite in den USA, China und Europa. 

Zu ihren Kernkompetenzen gehören nicht nur fundierte Kenntnisse aktueller Medien, digitales Marketing und soziale Technologien, sondern auch überzeugende Strategien und Geschäftsentwicklung.

Sie ist fasziniert davon, wie Verbraucher in unserer vernetzten Welt denken, sich verhalten und mit Marken interagieren. Ihr persönliches Ziel ist es, Markenstrategien zu entwickeln, die den Verbrauchern einen Wert für ihre Aufmerksamkeit bieten.

Als Pionierin im Influencer-/Content-Creator-Marketing war sie unter anderem Beiratsmitglied im American Influencer Council (AIC) und ist Mitglied des Lenkungsausschusses der Branded Content Marketing Association (BCMA) in Großbritannien. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Influencer Marketing e.V. (BVIM).

Jeanette wurde außerdem von der Fachorganisation Hello Partner zu den TOP 50 Global Influencer Marketing Professionals und TOP 30 Female Leaders in der Global Creator Economy gewählt.

Jeanette ist Vorstandvorsitzende des Bundesverbandes Influencer Marketing e.V. (BVIM) und Mitgründerin der Europäischen Influencer Marketing Alliance (EIMA).

Was KI-Avatare leisten können und was nicht

KI-Avatare bringen Fähigkeiten mit, bei denen klassische Kampagnen mit menschlichen Influencern nicht mithalten können. Sie sind rund um die Uhr verfügbar, altern nicht, werden nicht krank und haben keine schlechte Laune, brauchen kein Makeup und Catering. Sie sind Shitstorm resistent, rechtlich und inhaltlich maximal steuerbar, liefern Content in schwindelerregend hoher Frequenz und in jeder Sprache.

Für Marken klingt das verführerisch: keine Skandale, keine unvorhersehbaren Statements, keine komplizierten Verhandlungen über Nutzungsrechte, keine „Ich fühle mich mit dieser Marke nicht mehr wohl“ Momente.

Sinnvolle Einsatzfelder liegen auf der Hand: Produkt-Demos, Tutorials, Always-on-Content in mehreren Märkten, A/B-Tests von Botschaften und Visuals, Erklär-Formate, bei denen Persönlichkeit zweitrangig ist. Doch genau dort, wo Influencer Marketing seine größte Stärke hat, geraten Avatare an ihre Grenze. Sie haben keine echte Biografie, tragen kein persönliches Risiko und kennen keine Scham, keine Peinlichkeit, keine Verletzlichkeit. Sie simulieren Nähe, ohne sie zu erleben. Das Publikum spürt diesen Unterschied – vielleicht nicht im ersten Post, aber über einen längeren Zeitraum schon. Die größte Hürde für die Akzeptanz von KI Influencern bleibt daher nicht technologischer, sondern psychologischer und emotionaler Natur. Konsumenten verbinden Kaufentscheidungen und Markentreue grundlegend mit Vertrauensbeziehungen, die sie als authentisch wahrnehmen.

Kontrolle vs. Vertrauen: Der eigentliche Trade-off

Die zentrale Frage lautet deshalb nicht: „Ersetzt KI den Menschen?“ Sie lautet vielmehr: Wie viel Kontrolle ist eine Marke bereit zu opfern, um echtes Vertrauen zu gewinnen?

Mit menschlichen Creatoren bedeutet das: weniger Kontrolle über jedes einzelne Wort, mehr Glaubwürdigkeit, weil echte Menschen auch echte Kanten haben, und höhere Komplexität in Abstimmung, Verträgen und Erwartungsmanagement.

Mit KI-Avataren bedeutet es: maximale Kontrolle über Botschaft, Timing und Bildwelt, geringeres Risiko kurzfristiger Reputationsschäden – aber ein Publikum, das weiß, dass hier eine Inszenierung läuft.

Das klingt für manche Marken wie Musik in den Ohren aber sie müssen sich ehrlich fragen:

Geht es um echte Beziehung oder um saubere KPIs im Reporting? Ich erlebe es immer wieder: Die stärksten Marken sind bereit, ein Stück Kontrolle abzugeben, um echte Fürsprecher:innen zu gewinnen. KI kann diese Beziehungen unterstützen, aber nicht ersetzen. Und seien wir mal ehrlich, einen CGI-Computer Generated Influencer zu nutzen fühlt sich sehr nach reiner Advertising-Kreation an. Bei der ganzen Sache frage ich mich persönlich, ob wir hier nicht zurückgehen. 

Hybrid Influencer Marketing Strategien

Etwa 79 % der Marketer erhöhen ihre Investitionen in KI-generierte Creator-Inhalte, doch diese Investitionen konzentrieren sich überwiegend auf die teilweise Verbesserung von Influencer-Kampagnen und nicht auf den vollständigen Ersatz menschlicher Creator.

Eine praktische Anwendung sind “Digital Twins”, bei denen menschliche Creator lizenzierte KI-Versionen ihrer selbst nutzen können. Ein Digital Twin spiegelt Stimme, Ton, Persönlichkeit und Erscheinungsbild eines menschlichen Influencers wider, während er unabhängig und gleichzeitig in verschiedenen Sprachen, Plattformen und geografischen Regionen operieren kann. Außerdem hilft es dem menschlichen Spiegelbild, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Das kann durchaus positiv sein, wenn die Rechte und Lizenzen entsprechend geklärt sind.

Tools und Technologien für Content Creator

Etablierte Influencer nutzen KI-Werkzeuge für Content-Creators für wiederkehrende Aufgaben mit geringem Mehrwert wie das Schreiben von Captions, die erste Ideenfindung, die Videotranskription und die Optimierung der Posting-Zeiten. Das sind für mich ein Game Changer für Influencer und ein Schritt weiter in der Professionalisierung unserer Branche.

Voice Cloning für Influencer ermöglicht es Creators, KI-Systeme mit Stimmproben zu trainieren und dann Voiceovers zu generieren, die kaum von der Originalstimme zu unterscheiden sind. Klar für mich ist jedoch, dass jegliche Anwendung von KI, deren Endprodukt vom Verbraucher konsumiert wird, gekennzeichnet sein muss.

Herausforderungen: Authentizität, Vertrauen und Regulierung

Authentizität von KI Influencern

Zurück zu KI Influencern – die größte Hürde für die Akzeptanz von KI Influencern bleibt nicht technologischer, sondern psychologischer und emotionaler Natur. Konsumenten verbinden Kaufentscheidungen und Markentreue grundlegend mit Vertrauensbeziehungen, die sie als authentisch wahrnehmen.

Eine grundlegende Einschränkung von KI Influencern ist, dass sie nicht über persönliche Erfahrungen mit Produkten oder Dienstleistungen sprechen können – sie haben keine gelebte Erfahrung, was das Gegenteil von Authentizität darstellt. Eine bewährte Strategie hier ist, dass den CGIs eine sogenannte “Back Story” gegeben wird, wie im Fall von Lil Miquela zum Beispiel.

Regulatorische Überlegungen

Das rechtliche und regulatorische Umfeld für KI-generierte Influencer-Inhalte entwickelt sich schnell in Richtung verpflichtender Transparenzanforderungen.

Die EU AI Regulierung für Influencer im Rahmen des AI Acts verlangt, dass Ausgaben von KI-Systemen, einschließlich Audio, Bild, Video und Text, in maschinenlesbarem Format gekennzeichnet und als künstlich erzeugt oder manipuliert erkennbar sein müssen.

Deutsche Vorschriften für Influencer-Marketing verlangen, dass durch Filter oder KI-Werkzeuge modifizierte Inhalte von ausdrücklichen Aussagen wie „bearbeitetes Bild“ oder „virtuelles Bild“ begleitet werden müssen.

Die FTC in den USA hat aktualisierte Richtlinien herausgegeben, die verlangen, dass Influencer „doppelte Offenlegungen“ explizit angeben müssen, wenn Inhalte KI-generiert und gesponsert sind. FTC-Strafen für Nichteinhaltung können sehr empfindlich sein.

Die Messung der Auswirkungen und ROI von KI und menschlichen Influencern

AI Influencer ROI Vergleich

Die Leistungsunterschiede zwischen KI-generierten und menschlichen Influencern sind beträchtlich. Nach Daten der Financial Times aus 2025 generierten menschliche Influencer etwa 2,7-mal mehr Engagement als KI-Pendants und zeigten einen noch größeren Umsatz Vorteil: Menschen verdienten durchschnittlich 78,77 USD pro gesponserter Kampagne im Vergleich zu nur 1,69 USD für KI-Personas.

Kosteneffizienz ist die einzige Dimension, in der KI Influencer eindeutige Überlegenheit zeigen. Ein menschlicher Creator mit einer Million Followern könnte € 10.000 plus oder mehr für eine einzelne Kampagne verlangen, während KI Influencer unter Umständen mehr für weniger produzieren könnte. Die Frage, die sich mir hier stellt ist immer, wer ist die Audienz des Influencers, egal ob menschlich oder KI..

Verbraucher-Präferenzen und Demografien

Die Gen Z Einstellung zu KI Influencern ist offener als bei älteren Zielgruppen. Etwa 46% der Gen Z-Konsumenten zeigen Interesse an Marken, die mit KI Influencern zusammenarbeiten, während bei älteren Demografien dieser Anteil niedriger liegt.

Überraschenderweise legen Gen Z-Konsumenten weniger Wert auf traditionelle Authentizität als ältere Generationen. Nur 35% der Gen Z schätzen, wie „echt“ ein Influencer ist, verglichen mit etwa 50% der älteren Demografien.

Strategische Empfehlungen

Die Zukunft des Influencer-Marketings wird nicht durch technologischen Ersatz definiert, sondern durch eine ausgeklügelte Integration menschlicher Authentizität und KI-Effizienz.

Für Influencer-Marketing-Agenturen besteht die strategische Notwendigkeit darin, drei Kernkompetenzen zu entwickeln:

  1. Ausgeklügelte Zielgruppensegmentierung und psychologische Expertise
  2. Fortschrittliche Analyse- und Attributions-Infrastruktur
  3. Regulatorische Expertise und Compliance-Infrastruktur

Für Marken, die sich mit Influencer-Marketing beschäftigen, geht die Empfehlung dahin, über taktische Kampagnenplanung hinauszugehen und eine strategische Entwicklung des Influencer-Ökosystems zu betreiben.

Die wichtigste Erkenntnis bleibt: Avatare werden Menschen nicht ersetzen, sondern verstärken. Der Wert von Transparenz und Authentizität wird weiter wachsen. Erfolg gehört denjenigen, die strategisch menschliche Kreativität und maschinelle Intelligenz kombinieren.

Wenn ihr eure Influencer-Marketing-Strategie für das KI-Zeitalter optimieren möchtet, ist es wichtig, das Handwerk auch grundsätzlich zu verstehen. kontaktieren Sie BEYONDinfluence für eine maßgeschneiderte Beratung zur Integration von KI-Tools in Ihre bestehenden Kampagnen.